Fr. Apr 19th, 2024

Sonne, Strand, ein Leben unter Palmen?
Diese zum Teil erheiternden Geschichten stammen aus der Biografie einer, die es gewagt hat, in die Türkei auszuwandern. Schon nach kurzer Zeit stellte sie fest: Türken sind Überlebenskünstler!

Schaffe, schaffe, Häusle baue
Nachdem wir dreimal für erfolglose Dachreparaturen bezahlt hatten, stieg mein Mann schließlich selbst hinauf. Dabei stellte er fest, dass Ziegelsteine nicht richtig lagen oder zerbrochen waren und sich darunter – auch nur teilweise – morsche Planen befanden. Jahre später tauschte er diese mit Hilfe eines Freundes komplett gegen Onduline-Platten aus. Ganz behoben sind die Mängel zwar auch heute noch nicht, aber jetzt tropft es wenigstens nur noch selten in Nähe der Bodenfenster durch. Es ist uns ein Rätsel, wo das Wasser noch eindringen kann. Jedes Mal versichert mein Mann triumphierend: „Ha! Ich habe die Stelle gefunden. Nun ist es endgültig dicht!“ Sieger bleibt das Wasser, es bahnt sich seinen Weg. Erker, Schornsteine und Lüftungsschächte sind Schwachstellen in einem Land, in dem es anscheinend nur wenige Dachdecker gibt, die ihr Handwerk wirklich verstehen. Nach jedem Regen sehe ich Nachbarn kopfschüttelnd auf ihren Dächern stehen und Ziegelsteine austauschen. Eines Tages wird das marode Dach komplett erneuert werden müssen. Da kommen Kosten auf uns zu!

Hugo war noch mit dem Einbau der aus Deutschland mitgebrachten Einbauküche beschäftigt. Auch das war ein Problem, da zuvor verkehrt ausgemessen wurde, sodass die Arbeitsplatte mit einer Stichsäge um 10 Zentimeter verkürzt werden musste. Mein Mann ist sehr pedantisch und misst alles genau nach, den Fehler hatte wer anders begangen. Zudem kachelte Hugo die Küche selbst und baute den Küchenkamin mit der Dunstabzugshaube ein. Bis das alles fertig war, holte ich das Wasser für die Kaffeemaschine aus dem nahegelegenen Gäste-WC. Eines Morgens öffnete ich wieder mit der Kanne bewaffnet die Tür zum WC und setzte meinen Fuß, in Vorfreude auf eine Tasse dampfenden Kaffee zum Frühstück, im Dunklen in den Raum. Platsch! Ich stand im Wasser. Das Klo war übergelaufen, und nur die hohe Schwelle hatte bisher verhindert, dass das Abwasser auf das Parkett in die Wohnhalle floss. Wir gingen von einer Verstopfung irgendwo im Erdgeschoss aus. Vorerst durften wir natürlich weder Toilette noch Dusche benutzen. Hugo informierte seinen Vater, und der brachte einen Bekannten der Familie mit, der im Sanitärbereich arbeitete. „An welcher Stelle führt das Rohr nach draußen?“, fragte der Mann. Hugo erinnerte sich, dass es damals beim Bau direkt unter dem Hauseingang endete – dort musste sich also die Anschlussstelle zum Hauptrohr befinden, das dann wiederum im Abwasserkanal endete. Mit einem Presslufthammer rückte unser Bekannter der Stufe vor der Eingangstür zu Leibe. Und dann wurde es offenbar: Die Arbeiter hatten unseren Abfluss einfach zubetoniert, es gab gar keine Verbindung nach draußen! Kurz darauf ergoss sich eine stinkende Brühe in unseren Vorgarten. Das ganze Haus duftete nach Kloake. Ich nahm beide Töchter an die Hand und floh mit ihnen eine Straße weiter zu meiner Schwägerin. Das fehlende Verbindungsrohr wurde zwar erstaunlich schnell verlegt – doch noch heute hege ich eine tiefe Abneigung gegen das Gäste-WC.
Es spukte in unserem Haus! Atemlos beobachteten die Kinder und ich vom Sofa aus, wie der Beistelltisch wie von Geisterhand bewegt langsam nach oben schwebte. Gespannt gingen wir der Sache auf den Grund und stellten fest, dass das Parkett darunter eine verdächtig große Beule aufwies. Direkt hinter dem Tischchen befand sich ein mit einer eckigen Säule dekoriertes Abflussrohr, das aus dem Bad im ersten Stock herunterführte. Bei einer späteren Kontrolle zur Stabilität des Hauses in einem Erdbebengebiet, konnten wir übrigens in letzter Sekunde verhindern, dass der Experte es anbohrte, da er es für einen der hier üblichen Betonpfeiler hielt. Hugo wurde zu Hilfe gerufen. Fachmännisch besah er sich den Holzboden und löste die feuchten Teile heraus. Auch der Beton darunter war nass und musste mit einem geliehenen Presslufthammer aufgemeißelt werden. Bedauernd schüttelte mein Mann den Kopf: „Ich muss leider auch die Säule aufhauen.“ Das hatte ich befürchtet – wer weiß, was uns nun wieder erwartete! Spannend war es allemal! Gebannt schauten wir zu. Entrüstet besah mein Mann sich kurz darauf das freigelegte Stück Rohr: „Das Verbindungsstück hat einen Riss und sitzt auch gar nicht richtig auf dem Rohr! Es ist ja nicht zu glauben! Die haben uns einfach ein kaputtes Teil eingebaut!“
(Leseprobe aus dem Buch „Endstation Anatolien“)

©byChristine Erdic

Firmeninformation
Die deutsche Buchautorin Christine Erdic lebt zur Zeit hauptsächlich in der Türkei.
Beruflich unterrichtet sie in der Türkei Deutsch für Schüler (Nachhilfe), sie gab
Sprachtraining an der Uni und machte Übersetzungen für türkische Zeitungen.
Mehr Infos unter Meine Bücher- und Koboldecke
https://christineerdic.jimdofree.com/
https://literatur-reisetipps.blogspot.com/

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