Fr. Mrz 29th, 2024

Die OP war auf den Morgen festgesetzt. „Du kommst gleich als erste dran“, sagte die Krankenschwester zu mir. Das war gut so, nun wollte ich es auch hinter mir haben. Ich bekam ein einfaches Zimmer mit drei schmalen Betten zugwiesen, das Gemeinschafts-WC befand sich auf dem Flur. Mein Mann hatte in der Firma zu tun, und kurzerhand schickte ich ihn fort. „Ich schaffe das schon“, sagte ich. Interessiert schaute ich in den Raum nebenan, wo drei Patientinnen auf dem Boden kauerten und auf einem Propangaskocher Tee kochten. Was es hier nicht alles gab! In einem deutschen Krankenhaus wäre das undenkbar gewesen. Kurze Zeit später erschien die Krankenschwester und fragte mich, ob ich Essgeschirr dabei habe. Ich war verwundert. Ja, gab es das denn hier nicht gestellt?! Jeder Patient bringe sein eigenes mit, wurde mir erklärt. „Oje, das wusste ich nicht. Mein Mann ist schon weg. Dann kann ich eben nichts essen oder trinken“, erwiderte ich. Die nette Schwester winkte ab und brachte mir kurz darauf eine Tasse mit dampfendem Tee. „Das ist meine eigene“, erklärte sie lächelnd. „Lass ihn dir schmecken!“ Ich dankte verblüfft. Essen durfte ich ohnehin nichts mehr. Dann verbrachte ich eine schlaflose Nacht auf dem hohen, viel zu schmalen Bett und bekam prompt Kopfschmerzen. Ich war froh, als morgens eine Schwester erschien und ich den OP-Kittel überreicht bekam. Nachdem ich umgezogen war, musste ich mich auf ein noch schmaleres Bett setzen und wurde durch den Gang Richtung OP geschoben. Unterwegs winkten mir andere Patienten zu: „Geçmiş olsun!“ – Gute Besserung oder genauer: Möge es vorbei sein! Ich bedankte mich und winkte zurück. Vor der Tür zum OP übernahm ein Pfleger das Bett mit mir darauf und erzählte mir alles Mögliche auf Deutsch, er habe in Deutschland gearbeitet, und aus welcher Stadt ich denn käme. Mein Kopfschmerz verstärkte sich, als er mit dem Bett gegen eine Tür stieß. Noch eine Tür – ich war angekommen und musste nun auf den OP-Tisch umsteigen. „Mensch, ist das kalt hier!“ Anklagend wies ich auf das Thermometer an der Wand gegenüber. Vier Grad zeigte es mir an. Jetzt sollte ich die Narkose bekommen, doch die Nadel wurde fehlerhaft in den Arm eingeführt. „Das war nichts, ich muss es nochmal machen“, entschuldigte sich der junge Mann mit hochrotem Kopf. Keine Spur vom Arzt, doch rings um mich herum tauchten immer neue Gesichter auf. „Beeilt euch doch mal mit der Narkose! Ich habe Kopfschmerzen, und mir ist kalt!“, sagte ich verärgert.
Ich erwachte im Aufwachraum, weil jemand mir eine kleine Flasche unter die Nase hielt. „Ich bin so müde, ich will weiterschlafen“, murmelte ich kraftlos auf Türkisch. Im Gang nahm ich schemenhaft Hugos Gesicht wahr. Schwach winkte ich ihm zu. Oh, ich wurde in ein anderes, nett ausgestattetes Zimmer mit eigenem Bad gerollt. Ein Privatzimmer! Das hatte sicherlich der Geschäftspartner meines Mannes organisiert. Der Tropf mit Infusionen wurde angeschlossen, und ich konnte endlich weiterschlafen.
Als ich die Augen aufschlug, waren mein Mann und der OP-Arzt zugegen. Der Arzt zeigte mir einen Behälter. „Schau mal, das ist deine Gallenblase! Das war eine schwere OP, komplizierter als ich dachte. Aber weil du optimistisch drangegangen bist, ist sie gut verlaufen. Die Gallenblase war stark perforiert.“ Fragend blickte ich ihn an. Was bedeutete das?
„Sie war mit Flüssigkeit gefüllt und kurz vor dem Platzen“, erklärte er mir. Interessiert schaute ich mir das Gebilde an, in dem trübes, sandiges Wasser schwamm und einige große Klunker. Gallensteine!
(Leseprobe aus „Endstation Anatolien“.)

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byChristine Erdic

Firmeninformation
Die deutsche Buchautorin Christine Erdic lebt zur Zeit hauptsächlich in der Türkei.
Beruflich unterrichtet sie in der Türkei Deutsch für Schüler (Nachhilfe), sie gab
Sprachtraining an der Uni und machte Übersetzungen für türkische Zeitungen.
Mehr Infos unter Meine Bücher- und Koboldecke
https://christineerdic.jimdofree.com/
https://literatur-reisetipps.blogspot.com/

Christine Erdic
35050 Izmir
Türkei

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