Do. Apr 25th, 2024

Ich hatte einen ätzenden Abend und eine öde Nacht hinter mir. Nun saßen wir am Frühstückstisch, und das Brötchen blieb mir fast im Halse stecken, als die Mutter vom Nebentisch sagte: „Wollen wir heute nicht was gemeinsam unternehmen?“
Wie jetzt? „Au ja!“, rief Emma begeistert und rutschte auf ihrem Stuhl hin und her. Sie war doch mindestens Zehn, wenn nicht gar Elf, benahm sich aber wie ein Ikea-Kind.
Die Alten beschlossen, dass wir auf den Hausberg gehen. Das ist der Hügel, der sich hier so imposant emporreckt und uns nachmittags dieSonne klaut. Die Straße, die wir vom Bahnhof bis hier gefahren sind, verläuft immer weiter den Berg hinauf bis zum Gipfelkreuz.
Protest nutzte nichts. „Du kommst mit“, bestimmte Mama. Ich kann nicht mehr zählen, wie oft ich diesen Weg schon gegangen bin. Ich wollte es schnell hinter mich bringen und lief voran.
Der Abstand zur sabbelnden Masse vergrößerte sich immer mehr. Plötzlich hörte ich hinter mir ein Keuchen und ein Trippeln von kleinen Füßen: Emma.
„Warte mal“, wimmerte sie. Ich blieb stehen, bin ja kein Antreiber. Sie holte mich ein und versuchte mit mir Schritt zu halten.
„Was gibt’s denn da oben zu sehen?“, fragte sie in ihrer naiven Art. „Jesus am Kreuz“, quetschte ich zwischen den Zähnen hervor.
„Wirklich?“ „Man, bist du Stulle. Hast du noch nie ein Gipfelkreuz gesehen?“ Mensch war die bildungsfern.
„Weiter nichts?“ „Wenn du Glück hast und dein Blick nicht vernebelt ist, siehst du von oben die Modelleisenbahnlandschaft.“
„Du bist nicht gern hier, oder?“ „Kann mir was Schöneres vorstellen.“
Emma schwieg eine Weile. Aber lange hielt sie das nicht durch.
„Gibt es hier noch wilde Tiere?“, fragte sie. „Meinst du Bären oder Wölfe?“ Sie sah mich an und die Angst schrie aus ihrem Gesicht heraus.
„Ja“, sagte ich, ohne ihre Antwort abzuwarten. „Vor nicht allzulanger Zeit gab es hier einen Bären, der hieß Bruno. Den mussten die Jäger erschießen.
“Ich verriet ihr nicht, dass dieser Bär in einer ganz anderen Gegend der Alpen gesichtet worden war. Sollte sie ruhig glauben, dass es hiergefährlich war.
„Wenn einer da war, gibt es vielleicht noch andere“, fiel ihr ein. Unwillkürlich ging sie einen Schritt auf mich zu und griff nach meiner Hand. Erst wollte ich mich losreißen. Aber dann überkam mich ein Gefühl, als wäre ich ihr großer Bruder, der sie beschützen musste.
Leider habe ich keine Geschwister. War wohl so eine Art Wunschdenken von mir. Eine Weile gingen Emma und ich Hand in Hand weiter. Das war einerseits komisch und ungewohnt, andererseits aber auch schön, und ich wusste nicht einmal warum.
Dann rief meine Mutter von hinten: „Bleibt mal stehen. Wir machen eine Rast.“
Das passte mir zwar nicht. Ich fügte mich aber und setzte mich mit Emma auf einen großen Stein am Wegesrand. Zum Glück konnte ich sie noch davon überzeugen, ihre Hand aus meiner zu nehmen, keinen Augenblick zu früh, denn schon kam das Rudel.
Malte ließ sich keuchend auf einen anderen Findling fallen. Mit seinem Wanderstock benahm er sich wie ein Frührentner, der es noch einmal wissen will.
Mama befand sich noch immer im Gespräch mit den Buchholzens und bemerkte mich kaum. Ich konnte nur eins denken: Drei Wochen Urlaub zusammen mit Malte und Emma. Abends würde Mama mir vorschwärmen, wie nett die Familie doch sei und wie gut wir Kinder zusammen harmonierten.
Ich musste das Beste daraus machen. Ich hatte Mama ja mein Wort gegeben.
„Habt ihr das gesehen?“, schrie Frau Buchholz. „Was?“, grölte Malte. „Na, da unten im Tal, den Chiemsee. Ist er nicht schön?“
Wie ätzend. Ich hatte schon geglaubt, diese Stadtindianer würden ihn nie sehen. „Schon tausendmal“, meinte ich gelangweilt.
Malte blieb der Mund offen stehen. „Der ist ja größer als ich dachte.“ „Ist ja auch der Rest eines Gletschers aus der letzten Eiszeit, du Dödel“, belehrte ich ihn.
Die Buchholzens konnten sich nicht sattsehen. Sie fotografierten und schnatterten und fotografierten wieder. Nach gefühlten Ewigkeiten gingen wir endlich weiter. Ich hatte schongedacht, dass die hier Wurzeln schlagen wollten.
Wir brauchten bis zum Gipfel, den man gut in einer dreiviertel Stunde erreichen kann, ganze zwei Stunden. Oben angekommen, betrachtete ich die Landschaft durch mein Fernglas. Malte gesellte zu mir. Zuerst schlich er wie ein Kater um mich herum, fehlte nur noch, dass er miaute, sich an meinen Hosenbeinen rieb und schnurrte, dann blickte er sich nach allen Seiten suchend um.
Quelle http://www.spass-und-lernen.com/buchblog_128

Buchbeschreibung:
Ferien in den Alpen … Langeweile vorprogrammiert. So jedenfalls denkt Leon. Auch Emma und Malte tragen nicht zur Besserung der Laune bei, bis zum Auffinden eines Bergkristalls, der besondere Kräfte in sich birgt. Ein großes Abenteuer – eine Reise in die Geschichte– beginnt. Immer weiter in die Vergangenheit zurück führt sie der Kristall. Die Jugendlichen durchreisen Erdzeitalter um Erdzeitalter, erleben hautnah die Epoche, in der Dinosaurier den Planeten bewohnten und begreifen, dass diese Reise sie schließlich soweit zurückführt, bis es keine Lebensbedingungen für Menschen mehr gibt. Kann ein sprechender Kristall sie in die Gegenwart zurückbringen? Gibt es ein Zurück?

Produktinformation:
Taschenbuch: 160 Seiten
Verlag: Nova MD; Auflage: Erstauflage (10. Juli 2017)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 9783961113873
ISBN-13: 978-3961113873
ASIN: 3961113874
Vom Hersteller empfohlenes Alter: 12 – 15 Jahre

Mehr Infos unter:
https://www.karinaverlag.at/

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Kummer

Von Kummer

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